Fallbeispiele aus der Praxis - Lehrer burn out

Der Fall einer Referendarin im Burn out

(Im folgenden Text über Lehrer burn out sind alle persönlichen Detail, Daten und Namen anonymisiert bzw. ersetzt. Gemeinsamkeiten die Sie als Leser/in mit sich oder Ihnen bekannten Personen darin entdecken könnten, sind deshalb zur zufällig und entsprechen dem Umstand, dass viele Menschen oft ähnliche Probleme haben.)

 

Eines Tage kommt eine junge Frau, nennen wir sie Karin, zum Erstgespräch in meine Praxis. Sie hat ein aufgewecktes Wesen, wirkt engagiert, neugierig und sehr fröhlich. Begeistert erzählt sie von ihrem Referendariat das sie in ihrer Lehrerausbildung gerade begonnen hat. Die Arbeit mit den Kindern genießt sie sehr und freut sich meistens auf den Tag in der Schule. Wenn sie Unterrichtsvorbereitungen zu erstellen hat erlebt sie sich als kreativ und berichtet mit einem gewissen Stolz von ihren eigenen Idee die sie verwirklichen will.

Dann berichtet sie von ihren Schwierigkeiten abends einschlafen zu können. Sie müsse oft bis lange in die Nacht hinein arbeiten um fertig zu werden. Manchmal steht sie sehr früh auf, um die Unterrichtsunterlagen noch fertig zu stellen. Gegen Ende der Stunde wird sie plötzlich sehr ruhig, wirkt plötzlich traurig und in sich gekehrt. Unter Tränen erzählt sie von ihren vielen Zweifeln, ob sie denn tatsächlich richtig wäre im Lehrerberuf.

Karin möchte eine Therapie bei mir machen – sie legt Wert auf die Körperpsychotherapie, da sie „ohnehin schon so viel im Kopf unterwegs ist“. Dass sie die Therapie aus eigener Tasche bezahlt ist ihr sehr wichtig. Damit vermeidet sie einen „Psycho-Eintrag“ in der Akte der privaten Krankenkasse, der sowohl ihrer Kassenmitgliedschaft als auch ihrer Beamtenlaufbahn im Wege stehen könnte. Zweitens glaubt sie daran, dass sie mit der Körpertherapie eine gute Lösung ihrer Probleme finden wird – es ist ihr „wichtig, das für mich selbst zu investieren“.

In den folgenden Wochen arbeiten wir daran uns beide und ihr Problem besser kennen zu lernen. Sie berichtet vom Studium, Schulalltag, von ihrer Familie, wie sie aufgewachsen ist, von Eltern und Geschwistern, Freunden und Hobbies. Bald beginnen wir mit Körperarbeit, doch mit manuellen Techniken warte ich noch länger. Denn ich spüre ihre Zurückhaltung auf Körperkontakt z.B. bei der Biodynamischen Arbeit. Leistungsorientierteren Techniken steht sie dagegen sehr offen gegenüber.

Im Laufe der Zeit kommen viele Konflikte zur Sprache, wie sie mit der Seminarleitung um Anerkennung ringen muss, wie sie mit ihren eigenen Ideen nicht immer die gewünschte Zustimmung findet, wie sie mit der Zeit kämpft um mit den Vorbereitungen noch rechtzeitig fertig zu werden vor der Lehrprobe. Aber es gibt auch viele positive Ereignisse, wie das Lob für die hervorragende Unterrichtsarbeit, die sehr korrekten Unterlagen etc.

Es gibt Auseinandersetzungen mit Kolleg/innen, natürlich auch mit Schülereltern usw. Im Laufe der Zeit wird sie leider immer stärker von der Arbeit absorbiert, ihre Freizeit und Wochenenden opfert sie für Vorbereitungsarbeiten, Freunde haben nicht mehr viel Platz in ihrem Leben, auch nicht ihre früheren Hobbies.Einen Partner hat sie nicht.

Einzig die Ferien….auf die Ferien freut sie sich, in den Ferien kann sie sich erholen, kann zu den Eltern fahren und einfach weg sein. Und dann geht es wieder von vorne los, wenn die Ferien zu Ende sind.

Tatsächlich war diese Therapie nicht einfach. Hier einige Eckpunkte: Karin hatte von ihrem Vater gelernt, sich im Beruf auch anzustrengen um die Ziele zu erreichen. Diese Leistungsbereitschaft ist bei Karin gekoppelt an das Selbstverständnis, dass besondere Leistungen auch mit besonderer Zuwendung belohnt werden. Woran die Aufmerksamkeit des Vater für die Besonderheiten der Tochter wohl einen guten Teil gefördert haben. Außerdem sind sehr viele Parameter von außen gegeben und scheinbar unbeeinflussbar.

Veränderungen haben sich erst dann eingestellt, als wir gemeinsam „Leistung“ von „Zuwendung“ entkoppeln konnten. Karin hat gelernt, dass Liebe, die sie erfährt nicht von ihrer Leistungsfähigkeit abhängt – und v.a., dass sie die Zuwendung auch nicht dauerhaft mit besonderer Leistung beeinflussen kann. Das drohend Burn out konnte Karin damit vermeiden.

 

 

 

 

 

 

 

 

Geschrieben am: 29.09.2017 Kategorien: Fallbeispiele